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Andreas Grellmann (2012). Führung zwischen Hierarchie und Teamorientierung. Die Untersuchung eines Veränderungsprozesses. Heidelberg: Verlag für Systemische Forschung im Carl-Auer Verlag. (201 S.)

Zwei spannende und zugleich recht unterschiedliche Forschungsarbeiten aus dem Feld systemischer Organisationspsychologie/-entwicklung sind aktuell im Verlag für Systemische Foschung im Carl-Auer Verlag erschienen.

Der Diplom-Pädagoge und –Soziologe Andreas Grellmann untersuchte in einem inhabergeführten Produktionsunternehmen des Mittelstands, wie Bereichsleiter des Unternehmens Veränderungsprozesse hin zu einer team- und prozessorientierten Führung umsetzen und erleben. Theoretisch rekurriert er hierbei auf Luhmanns Theorie sozialer Systeme sowie seine Organisationstheorie. Empirisch nähert er sich seinen Gegenstandsbereichen mittels qualitativer Sozialforschung. Konkret setzt sich das Forschungsdesign zur Datenerhebung aus einem Leitfadeninterview, dem problemzentrierten Interview nach Witzel, und zur Datenauswertung aus der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring zusammen. Hiermit erscheint dieses Buch als ein ausgezeichnet Beispiel einer systemischen Forschungsarbeit gleich in zweifacher Hinsicht: 1. Grellmann gelingt es im theoretischen Teil, die wesentlichen Elemente der Grundarchitektur Luhmann´scher System- und Organisationstheorie kurz, knapp und prägnant darzustellen, wie selten gelesen. Im empirischen Teil gelingt es ihm zu zeigen, dass und wie mittels qualitativer Sozialforschung „à la Luhmann“ geforscht werden kann. Konkret hat er ein differenziertes Kategoriensystem mittels Inhaltsanalyse erstellt und dies in Bezug zu wesentlichen Elemente von Luhmanns Theorie gesetzt. Alle, die meinem, man könne nicht auf der Grundlage soziologischer Systemtheorie gute und saubere Empirie betreiben, weil selbige zu Metatheorie-lastig und damit nicht operationalisierbar sei, werden durch dieses feine Buch eines besseren belehrt.
Simon Kraus (2012). Vertrauen als Geschäftsmodell. Inrritationen für Organisationsentwickler, Innovatoren und das Management. Heidelberg: Verlag für Systemische Forschung im Carl-Auer Verlag. (373 S.)

Simon Kraus hat eine spannende Biographie: zum einen ist er ehemaliger Gebirgsjägeroffizier und ausgebildeter Heeresbergführer; zum anderen systemischer Organisationsberater und Trainer für Führungskräfteentwicklung. In dem vorliegenden Buch näherte er sich auf Basis systemtheoretischer und konstruktivistischer Überlegungen der Frage, ob, wie es im Buchtitel bereits lautet, „Vertrauen als Geschäftsmodell“ dienen kann. Produkt seiner Arbeit ist das Konzept des „vertrauensbasierten Musterbruchs“. Als „Erfahrungsobjekte“ zur Entwicklung dieses Konzeptes des Musterbruchs dienen ihm u.a. ARAVIND, eine Augenklinik in Indien, das Sozialwerk der Drittordensgemeinschaft „Venerável Ordem Terceira de Sao Francisco da Penitencia“ in Rio de Janeiro oder die Realschule Georg-Weerth-Oberschule im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Theoretischer Ausgangspunkt hierfür ist u.a. Luhmanns systemtheoretisches Verständnis von Vertrauen: „Wo es Vertrauen gibt, gibt es mehr Möglichkeiten des Erlebens und Handelns, steigt die Komplexität des sozialen Systems, also die Anzahl der Möglichkeiten, die es mit seiner Struktur vereinbaren kann, weil im Vertrauen eine wirksamere Form der Reduktion von Komplexität zur Verfügung steht“ (Luhmann, 2000, S. 79). Vertrauensbasierter Musterbruch meint nun, die Varietät interner Prozesse des Unternehmens mittels Vertrauen zu steigern (und eben durch diese internen Prozesse Musterunterbrechungen herzustellen), um so der Komplexität eines übergeordneten Meta-Systems (z.B. dynamischen gesellschaftlichen Funktionssystemen) entgegentreten zu können. Er kann anhand der von ihm aufgeführten Beispiele (Erfahrungsobjekte) zeigen, dass Vertrauen eine spezifische Branchenlogik überwindet und Kosten spart, Visionen beflügelt und einen Marktbegriff verschiebt, eine abwegig erscheinende Marktbearbeitung erlaubt und Nicht-Kunden zu Kunden werden lässt. Wie er dieses Konzept des vertrauensbasierten Musterbruchs nachvollziehbar entwickelt, anhand der illustrativen Beispiele spannend erläutert sowie in bewährter strukturwissenschaftlicher Tradition Studienbefunde und Theoriebausteine ganz unterschiedlicher Couleur heranzieht, ist faszinierend und kurzweilig zugleich: Trotz der fast 400 Seiten ein echter Lese-Geheimtipp für Systemiker.

Matthias Ochs

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