Claude-Hélène Mayer ist Professorin für interkulturelle Kommunikation in Unternehmen an der Fachhochschule Hamburg sowie als Forscherin an der Rhodes University in Grahamstown in Südafrika tätig. Diese internationale Ausrichtung findet sich auch in dem vorliegenden Buch, das ihre Forschung darstellt zur Frage, wie man als Manager in transkulturellen Arbeitssituationen in international agierenden Unternehmen gesund bleiben kann. Um sich dieser Frage anzunähern, hat sie sich auf das bekannte Salutogenese-Konzept von Aaron Antonovsky bezogen – und hier vor allen auf einen Kernfaktor dieses Konzepts, nämlich jenem des „Sense of Coherence“ (SOC). Antonovsky (1997, S. 36) definiert diesen folgendermaßen: „Das Kohärenzgefühl ist eine globale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß eine Person ein durchdringendes, dynamisches Gefühl des Vertrauens darauf hat, dass die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind; die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderungen zu begegnen, die diese Stimuli stellen; diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Engagement lohnen.“
Untersuchungsmethodologisch setzte Mayer einen Mix-Methods-Ansatz ein, der bereits an anderer Stelle (Ochs, 2012) als ein sinnvoller Weg beschrieben wurde, systemisch orientiert zu forschen. Einerseits verwendete sie drei quantitative Fragebögen: den Fragebogen zur Lebensorientierung (SOC, ein Fragebogen, der den „Sense of Coherence“ erfasst), den Schwartz Value Survey (SVS) zur Exploration persönlicher Werte sowie den OCP (Organizational Culture Profile) zur Erfassung der Organisationskultur. Andererseits führte sie Tiefeninterviews durch, praktiziert Teilnehmende Beobachtung sowie Dokumenten- und Textanalyse. Die Studie stellt ein Beispiel hoher Sophistikation einer Mixed-Methods-Studie dar – ein wesentlicher Forschungstrend systemisch orientierter Forschung (Ochs, 2013).
Ein Ergebnis ihrer Studie waren zwei Gruppen von Managern, nämlich solche mit hohen SOC-Werten und solche mit niedrigen SOC-Werten. Diese beiden Gruppen unterschieden sich auf einer Reihe weitere Dimensionen, nämlich insofern, dass Manager mit hohen SOC-Werten ein ganzheitlicheres Konzept der eigenen Gesundheit hatten, ihre Narrationen auf komplexere Gedankenstrukturen schließen ließen, sie in mehr Details erzählten und eine klarere und kohärentere Vorstellung von ihrer eigenen Identität hatten. Zudem schätzten sie sinnenfreudige Gratifikationen mehr, waren sich über ihre Ressourcensituation bewusster und betonten ein eigenes Wertesystem, das häufig eine religiöse bzw. spirituelle oder auch humanistische Basis hatte. Manager mit niedrigen SOC-Werten hingegen orientierten ihr Leben eher aus an praktischen Kalkülen und sozialen Beziehungen. Desweiteren teilten Manager mit hohen SOC-Werte eher ihre Gedanken und Gefühle mit und antizipierten selbige bei Ihrem Gegenüber eher in Konfliktsituationen.
Aufbauend auf diesen Befunden entwickelte Mayer dann ein salutogenetisch und systemisch ausgerichtetes Interventionsmodel um psychische Gesundheit in transkulturellen Organisationen zu unterstützen, das sie MEHTO nennt (MEntal Health in Transcultural Organisations).
Zusammengefasst stellt die vorliegende Studie ein sehr schönes Beispiel dafür dar, wie ein komplexes und relevantes organisationspsychologisches Thema (nämlich Trans- und Multikulturalität in Unternehmen) mittels einem Mix-Methods-Ansatz forscherischsinnvoll und befriedigend, weil der Komplexität des Gegenstandsbereichs angemessen, angegangen werden kann.
Matthias Ochs