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Niklas M. Wiegand (2011). Beobachtungen organisationalen Wandels. Die „Deutsche Forschungsgemeinschaft“ (DFG) im Gegensatz von Selbst- und Fremdbeschreibung. Heidelberg: Verlag für Systemische Forschung im Carl-Auer Verlag (102 S.)

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist in Deutschland der wichtigste Drittmittel-Geldgeber von Forschung und im internationalen Vergleich einer der potentesten Forschungsförderer. Alleine schon deshalb erscheint die Beschäftigung mit der DFG für Systemiker sehr lohnend: denn diese sind leider weiterhin nur selten fest in universitären Strukturen etabliert (z.B. über Lehrstühle) – und deshalb sehr oft auf Drittmittel für die Verwirklichung ihrer Forschungsprojekte angewiesen. Aber auch aus einem weiteren Grund stellt die DFG für Systemiker ein hochspannendes Organisationssystem dar: denn es sitzt quasi auf zwei Stühlen gesellschaftlicher Funktionssysteme im Luhmann´schen Sinne: nämlich Politik und Wissenschaft.

Die Historie und konkrete Ausgestaltung dieses Spagats ist nun Thema des vorliegenden Büchleins des Politikwissenschaftlers und Organisationssoziologen Niklas M. Wiegand. Um sich dem Gegenstandsbereich anzunähern führt Wiegand zunächst profund in die Theorie zur Beobachtung organisationalen Wandels ein, um diese dann auf die DFG unter der Perspektive des Gegensatzes von Selbst- und Fremdbeschreibung anzuwenden. Aus der Selbstbeschreibungsperspektive erscheint es für die DFG zur Aufrechterhaltung von Legitimität/Identität notwendig, sich als dem wissenschaftlichen Funktionssytem zugehörig zu beschreiben; aus der Fremdperspektive erscheint hingegen die Zuordnung zum gesellschaftlichen Funktionssystem Politik zutreffender. Wiegand resümiert hierzu (S. 85): „Abschließend bleibt festzuhalten, dass Fremdbeschreibungen, welche von der Selbstbeschreibung der DFG abweichen, ernst genommen und in ihrer Wirkung nict unterschätzt werden sollten“. Weiter empfiehlt er: „Die DFG könnte auf jedem Fall davon profitieren, wenn sie die abweichenden Fremdbeschreibungen zum Anlass nehmen würde, ihr Selbstbild kritisch zu hinterfragen.“

Diese Studie verdeutlicht, dass Organisationen typischerweise sich heutzutage nicht mehr klar und eindeutig einem bestimmten gesellschaftlichen Funktionssytem zuordnen lassen, sondern fast regelhaft zwischen zwei oder mehreren Stühlen sitzen – man denke etwa an große Universitätskliniken, die einerseits Heilen, Wissenschaft betreiben und zudem ökonomisch effizient operieren sollen. Systemtheoretisch inspirierte Organisationstheorie scheint aber genau an diesen Punkten erst richtig spannend zu werden und ihr Erklärungspotenial gerade hier unter Beweis stellen zu können – wie dieser kluge und lesenswerte Band aus dem Verlag für Systemische Forschung im Carl-Auer Verlag trefflich zeigt.

Matthias Ochs

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